Du musst nicht von allen gemocht werden – Buchbesprechung

Mir fiel es schwer, in das Buch reinzukommen. Ich dachte eigentlich, dass ich es sehr schnell wieder beenden würde. Die Struktur – der Dialog – gefiel mir gar nicht. Die drei verschiedenen Stimmen (ich habe es als Hörbuch gehört) waren mir unsympathisch. Der junge Mann war der Allerschlimmste. Seine Ansichten, seine Fragen – nichts davon gefiel mir, noch konnte ich mich in irgendeiner Weise mit ihm identifizieren. Die Missstimmung der zwei Männer gefiel mir überhaupt nicht, so dass ich mich als Zuhörer immer beklemmter fühlte. Ich wollte diese schlechte Stimmung nicht und vor allem nicht morgens.

Kein Buch wird weggelegt

Als bekennender Bücherwurm ist es leider so, dass ich kein Buch – egal ob eBook, Taschenbuch, gebundenes Buch oder Hörbuch – weglege. Ich lese es bis zum bitteren Ende. Bisher habe ich ein einziges Buch nicht zu Ende gelesen. Das ist mir schwer gefallen, allerdings war es so furchtbar langweilig, dass ich es nicht weiterlesen konnte. Es kam mir wie die absolute Zeitverschwendung vor. Darum beiße ich mich durch, bis ich es geschafft habe.

Aufatmen dank der Inhalte

Zum Glück interessierte mich die Adlersche Psychologie so sehr, dass ich immer weiter hörte und im Laufe des Buches auch zu einem Punkt kam, an dem ich die Inhalte so spannend und interessant fand, das ich es weiterhören wollte. Es war mir ein persönliches Anliegen.

Alfred Adler und seine Psychologie

Zum Hintergrund kann ich sagen, dass ich der Adlerschen Psychologie sehr zugeneigt bin. Sie ist „eine Psychologie der Anwendung.“ Außerdem charakterisiert sie sich dadurch, dass sie nicht die Vergangenheit, sondern die Gegenwart betrachtet. „Entscheidend ist nicht, womit man geboren wird, sondern was man aus seinen Anlagen macht.“

Daher besitzt sie für mich einen interessanten Jetzt-Ansatz. Es ist das, was du daraus machst und wie du leben willst. Darum lebt jeder so, wie er selbst denkt und handelt. Möchtest du also etwas an deiner Lebenssituation ändern, musst du dein Denken und Handeln verändern. Das gefällt mir darum gut, weil ich schon immer eine Verfechterin des Satzes „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied ist.“ bin. Ich denke, dass du selbst für dich verantwortlich bist. Möchtest du etwas in deinem Leben, musst du es auch verfolgen. Nichts bekommst du einfach so. Die Adlersche Psychologie scheint dieses Thema ebenfalls zu behandeln. Wenn du etwas ändern möchtest, kannst du einfach tun. Jetzt. Hier. Es liegt in deinen Händen.

Verantwortung – ein machtvolles Wort

„Die Menschen beklagen sich über verschiedenen Dinge, aber es ist einfacher so zu bleiben, wie man ist.“ Nicht jeder mag Verantwortung. Egal, ob im Job oder im privaten. Es gibt viele, die sich lieber ihrem Schicksal ergeben und handlungsunfähig bleiben, als sich mit ihren Zielen zu beschäftigen. Adler versteht, dass es oft aus Angst passiert und zeigt auf, warum dieses Verhalten dazu führt, dass keine Ziele erreicht werden. In dem Dialog zwischen altem und jungen Mann kommt das sehr deutlich rüber und man fühlt sich als Zuhörer aufgefordert, sein Leben zu hinterfragen. Aus welchen Gründen triffst du deine Entscheidungen?

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Minderwertigkeit

Ein großes Thema ist der Begriff der Minderwertigkeit, da der junge Mann sich in seinem Leben oft zurückgesetzt gefühlt hat, von seinen Eltern oder seinem älteren Bruder, aber auch von Freunden. Der ältere Mann beschreibt das Gefühl wie folgt:

„Ein Ausdruck, der ein Werturteil über einen selbst enthält. Es ist das Gefühl, keinen Wert zu haben oder nur einen geringen.“ Dieses Gefühl entsteht oft im Vergleich mit anderen, allerdings kann es auch das Streben nach Wachstum und Fortschritt fördern. Darum rät Adler, dass du dir das Positive in deinen Minderwertigkeiten suchst und das Wertgefühl beiseite schiebst. Konkret bedeutet das, dass du überlegst, was dir deine Schwächen bringen. Oft sind unsere sogenannten Schwächen auch gleichzeitig unsere Stärken und solange du mit einem positiven Mindset an die Beurteilung dieser gehst und dir klar machst, dass auch sie dir etwas bringen, wirst du dich nie wieder wertlos fühlen.

Vertikale Beziehungen, horizontale Beziehungen

Am interessantesten für mich war die Erklärung der vertikalen Beziehung bzw. der horizontalen Beziehung. Unter dem Begriff konnte ich mir absolut nichts vorstellen und zu Beginn der Erklärung war ich mehr als skeptisch, da gesagt wurde, dass, wenn man ein Kind lobt, man sich in eine vertikale Beziehung begibt. Dabei empfinde ich Kinderlob als sehr wichtig und habe selbst gern gehört und höre es immer noch gern: Das hast du gut gemacht. Was sollte daran verkehrt sein? Erst als ich selbst in meinem Arbeitsalltag in eine vertikale Beziehung gepackt wurde, verstand ich, wie kostbar die Information über eine vertikale bzw. horizontale Beziehung ist.

Vertikale Beziehungen sind solche, die sich von oben nach unten bewegen. D.h. jemand stellt sich über einen. Das kann unabsichtlich passieren. Der Ausspruch „Wir reden nicht auf Augenhöhe miteinander“ beschreibt sehr gut eine vertikale Beziehung. Die zwei Teilnehmenden befinden sich nicht auf einer Linie. Der eine steht über dem anderen. Das kann durch etwas Gesagtes geschehen, wie zum Beispiel „Das hast du gut gemacht.“ Indem ich das sage, bestätige ich, dass ich es beurteilen kann. Eine Beurteilung findet ausschließlich in einer vertikalen Beziehung statt.

Im Arbeitsumfeld begegnen uns ständig vertikale Beziehungen. Von dem:der Chef:in zum:zur Mitarbeiter:in und zwischen Mitarbeitern. Welchen, die schon länger da sind und den neuen zeigen, wie es hier läuft. Jeder wird schon einmal eine vertikale Beziehung erlebt haben, wenn er darüber nachdenkt. Meine vertikale Beziehung, die mich zum Grübeln gebracht hat, ist eine zwischen Mitarbeitern. Bei der es darum ging, wer das letzte Wort hat. Anstatt auf Augenhöhe – also in einer horizontalen Beziehung – miteinander zu sprechen, das Ziel im Auge und zu entscheiden, welche Vorgehensweise am meisten Sinn macht, stellte sich die Kollegin über mich. Sie gab mir zu verstehen, dass sie mehr wusste als ich und darum beurteilen konnte, dass ich die Situation nicht einschätzen kann. Eine für mich sehr unerfreuliche Begegnung, die ich glücklicherweise durch ein wenig diplomatisches Geschick ausmanövrieren konnte.

In einer horizontalen Beziehung hätten wir uns beide auf einer Ebene gesehen, die Gleichwertigkeit unserer unterschiedlichen Fähigkeiten anerkannt und gemeinsam eine Lösung gefunden. Seit dieser Selbsterfahrung versuche ich niemanden mehr absichtlich in eine vertikale, sondern immer nur in eine horizontale Beziehung zu setzen. Die Teamrollen nach Belbin erklären sehr gut, wie man sich Teammitglieder als gleichwertige Partner:innen betrachtet.

Die Übung

Probiere es am besten selbst aus. Frage dich, wann du in einer vertikalen und wann du in einer horizontalen Beziehung bist. Mit welchen Menschen führst du welche Art der Beziehung? Welche Verhalten und welche Aussagen führen zu der einen oder der anderen Art der Beziehung? Was unterscheidet sie?

Ich bin sehr gespannt darauf, wie du deine Erfahrungen damit machst. Falls dich das Thema weiterhin interessiert, kann ich dir nur zu dem Buch raten. Überbrücke den Anfang und du wirst sehen, dass es dir eine tolle Sichtweise auf das Verhalten liefert und du deines auf jeden Fall überdenken wirst.
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